Wo leben eigentlich das Reistier und das Maistierchen?
Als Ernährungsberater und Barfer interessiere ich mich natürlich sehr für alles, was bei Hunden so im Napf landet. BARF (Biologisch artgerechtes rohes Futter) orientiert sich bekannterweise daran, wie ein Beutetier aufgebaut ist.
Gefüttert werden also Muskelfleisch, Fett, Innereien und rohe fleischige Knochen. Zusätzlich werden Faserstoffe für den Darm über Gemüse und Obst zugeführt und meist noch Omega-3-Fettsäuren, Jod und Vitamin D ergänzt. Das ist alles. Ein gesunder Hund braucht normalerweise nicht mehr als diese Komponenten in der richtigen Zusammensetzung.
Ich werde öfters gefragt, wieso ich denn barfe und ob Fertigfutter denn nicht genauso gut oder sogar besser wäre. Für mich lautet die Antwort ganz klar: „Weil ich bei BARF genau weiß, dass alles im Napf landet, was der Hund braucht – in der richtigen Zusammensetzung und ohne unnötige Füllstoffe, Geschmacksverstärker oder Konservierungsstoffe. Fertigfutter ist für mich höchstens im Urlaub eine Alternative.“
Wenn ein Fertigfutter sich an den Bedürfnissen des Hundes orientieren würde, sollte man dann nicht erwarten, dass auch hier die Nährstoffe ähnlich wie bei einem Beutetier verteilt sein sollten? Wenn man sich einige aktuell erhältliche Fertigfutter im Hinblick darauf mal mit einem Augenzwinkern ansieht, laufen einem das Reistierchen, das Innereientier und der Keinskeletter über den Weg. Einige Trockenfutter haben als Hauptzutat Reis. Die Zutatenliste eines Beispielfutters sieht aus wie folgt: Reis, Soja (hydrolysiert), Tierfett, Mineralstoffe, Geflügelleber (hydrolisiert), Rübentrockenschnitzel, Sojaöl, Fructo-Oligosaccharide, Fischöl, Borretschöl und Tagetesblütenmehl. Gäbe es ein so zusammengesetztes Beutetier, würde ich es „Reistier“ nennen, da es hauptsächlich aus diesem besteht. Zudem hätte es noch große Anteile an Soja. Es wäre also ein sehr pflanzliches Tier. An Innereien hat unser Reistier leider nur Leber und Knochen hat es auch keine, dafür noch diverse Zusätze. Es ist also zugleich noch ein „Keinskeletter“ und muss ohne Skelett auskommen.
Analog zum „Reistier“ gibt es auch noch das „Maistierchen“. Ein Trockenfutter einer in vielen Geschäften erhältlichen Sorte besteht aus Mais, Maisfuttermehl, Weizenfuttermehl, Fleisch getrocknet (Rind, Schwein), Geflügelprotein getrocknet, Tierfett, Weizen, tierisches Eiweiß (hydrolysiert), Mineralstoffe, Rübentrockenschnitzel, Fischöl, Sojaöl, Hefen und Hefehydrolysat. Da Fleisch erst an vierter Stelle kommt, besteht das „Maistierchen“ zu einem Großteil aus Mais und Weizen. Auch das „Getreidetierchen“ darf natürlich nicht fehlen. Einige Trockenfutter haben tatsächlich für den Fleischfresser Hund immer noch Getreide als Hauptzutat. Bei einem anderen Trockenfutter stehen zwar Lammfleisch und getrocknetes Lammfleisch an erster bzw. zweiter Stelle der Zutatenliste und es ist auch noch Lammfett enthalten, Innereien fehlen jedoch komplett – dafür sind 20 % Vollkornreis enthalten. Übertragen auf ein Beutetier wäre dies wohl ein „Reisstattinnereientier“. Das arme Tierchen wäre wohl kaum überlebensfähig.
Vor allem beim Nassfutter gibt es hingegen viele Sorten, die einen sehr hohen Innereienanteil aufweisen. Ein Dosenfutter, welches nur aus einer Proteinquelle (in dem Fall Rind) besteht und als Alternative zu Frischfleisch zum Mischen mit Gemüse gedacht ist, besteht aus Rinderherzen (58%), Rinderlunge (22%), Rinderleber (17%), Leinöl, Bio-Eierschalenpulver, Mineralerde und Seealge. Gäbe es ein Tier, das aus diesen Dingen zusammengesetzt ist, wäre es eindeutig ein „Innereientier“. Herz ist zwar auch ein Muskel, aber normales Muskelfleisch fehlt total.
Stellt man sich die Frage, warum diese Futtersorten so zusammengestellt sind, drängt sich die Vermutung in den Vordergrund, dass Reis, Mais und Innereien kostengünstiger sind als Muskelfleisch. Vielleicht soll durch den hohen Anteil an Innereien in Nassfuttern auch die durchs Kochen verlorengegangenen Vitamine etwas ausgeglichen werden. Fast überall sind sehr viele Zusatzstoffe und künstliche Vitamine enthalten. Den Zusatz „Mineralstoffe“ findet man auch total häufig. Dadurch können z.B. Mineralstoffe aus Knochen ersetzt werden. Wie viel von was wirklich drin ist, ist dank ungenauer Angaben leider oft nicht zu berechnen. Es könnte die passende Menge sein – aber auch zu viel oder zu wenig für den jeweiligen Hund.
Fest steht für mich jedenfalls, dass ich lieber selbst die Komponenten eines Beutetiers für meinen Hund so gut wie möglich im Futternapf zusammenstellen möchte. So kann ich prima auf Reis und Co. verzichten und nehme lieber natürliche Vitaminquellen. Dieser Ausflug in die Welt des Fertigfutters und der scheinbar zugrundeliegenden Beutetiere war natürlich nicht bierernst gemeint. Es wäre gar nicht möglich, ein Fertigfutter in Pellets zu pressen oder feucht haltbar zu machen, wenn nur die im Beutetier enthaltenen Bestandteile darin wären. Der Hundehalter sollte sich dessen aber bewusst sein, was stattdessen darin zu finden ist. Leider liest man aber auch in Futterplänen von Frauchen und Herrchen, die sich schon die Mühe machen, das Futter frisch für den Hund zuzubereiten, und von sich behaupten, sie würden barfen, sich also am Beutetier orientieren, dass nur Fleisch verfüttert wird oder auch, dass größere Mengen an gekochtem Reis, Nudeln oder Kartoffeln verfüttert werden – hier lässt das Reistier wieder grüßen. Wenn ich übrigens „Reistier“ bei Google eingebe, findet ich witzigerweise an Platz 5 und 6 Hundefertigfutter. Vielleicht gibt es dieses Tier ja doch…